"Wenn man einmal weiß, worauf alles ankommt, hört man auf, gesprächig zu sein."

(Johann Wolfgang von Goethe)

Vom Reden und vom Tun

Egon Bahr hat einmal gesagt: "Kleine Schritte sind immer besser als große Worte". Und eine Teilnehmerin an einem meiner Schweigeretreats kam zu der Überzeugung: "das meiste, was wir reden, ist überflüssig".


Schätze und addiere:
  • Wieviele überflüssige Worte machst du an jedem Tag?
  • In jeder Woche?
  • In jedem Jahr?
  • Wieviel von deiner Lebenszeit kostet dich das?

Wenn wir sprechen, schauen wir in unserer Festplatte nach, ob zum aktuellen Thema Daten vorliegen. Diese Daten (andere können es ja nicht sein!) werfen wir dann in den Raum. Eigentlich sprechen nicht wir, sondern unsere Eltern (siehe Charlotte) und alle, die irgendwann in unserem Leben zu diesem Thema Daten in uns verschaltet haben.

Du hast über die Frage "wer bin ich" meditiert. Dazu erfährst du mehr, wenn du über Charlotte nachdenkst. Eckhart Tolle hat es in einem Interview mit Doris Iding so erklärt(1):

Menschen beginnen bereits als Kleinkinder, sich mit bestimmten Gedankenstrukturen und -formen zu identifizieren. Die erste Identifizierung ist der Name, dann der Besitz "mein Spielzeug". Dabei ist das Spielzeug selbst nicht entscheidend, sondern der Gedanke von "meinem" Spielzeug. Das heißt, Kinder fangen an, sich mit dem gegenständlichen Bewusstsein zu identifizieren. Darüber hinaus nimmt das Kind noch viele weitere Identifikationen aus der eigenen Kultur auf. Es wird durch seine Eltern, Lehrer und die Gesellschaft konditioniert und identifiziert sich im Laufe seines Lebens meist vollständig mit gesellschaftlichen Rollen. Diese Rollen - als Mutter, Vater, nicht gut genug, arbeitslos, erfolgreich - hält es für seine wahre Identität, ohne zu erkennen, dass es sich dabei lediglich um Gedankenformen handelt. Jede Rolle ist nur eine Gedankenform. Die meisten Menschen sind mit diesem Selbst, das aus den Gedankenformen entstanden ist, vollständig identifiziert.

Was heißt das für unsere Gesprächskultur? Wir wollen recht haben! Immer, wenn wir bei einer Diskussion nachgeben, geben wir ein Stück "von uns selbst" auf, und das ist schmerzhaft. Deshalb sind viele Diskussionen ziemlich gut vorhersehbar. Zuerst werden die einzelnen Standpunkte formuliert, dann werden diese mehr oder weniger vehement vertreten. Jeder hat "seine" Ansicht durch die Auseinandersetzung mit anderen gefestigt (!) und anschließend fragt man sich, warum man überhaupt diskutiert hat. Viele Diskussionen dienen - nachträglich betrachtet - dem reinen Zeitvertreib bzw. der Ego-Pflege. Du kannst das zu Hause, am Stammtisch, bei professionellen Teambesprechungen und vor allem in der Politik beobachten.

Besonders vergnüglich sind politische Talk-Shows. Fünf Personen unterschiedlicher Parteien sitzen in einer Runde. Jeder trägt seinen Standpunkt vor, dann werden die Standpunkte verfochten, verteidigt, auseinander genommen und wieder zusammen gesetzt. Der Showmaster (sorry: Moderator) versucht am Ende, für das Publikum einen Konsens zu formulieren. Den gibt es jedoch in den seltensten Fällen, denn in Wahrheit geht jeder der fünf Personen mit der gleichen Meinung (vielleicht sogar noch etwas gefestigter als vorher) nach Hause. Und der leicht erhöhte Blutdruck hat sich bald wieder gelegt...

Wenn du die Zeiten addierst, die wir alle mit unnützem Gerede verbringen, wird dir klar:

Überflüssige (!) Worte sind Zeit- und Energieverschwendung




(1)http://www.eckharttolle.de/media/interviews/leben-im-jetzt-15


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